Das „Maus-Prinzip“ für die Hochschule
Ein Beitrag von Greta Lührs
Herr Biemann, Sie haben den Kurs „Das Prinzip Maus“ für Erwachsene entwickelt. Was besagt dieses Prinzip?
Christoph Biemann: Das Erste, was ich immer sage, ist: Es gibt kein „Prinzip Maus“ im Sinne eines festen Schemas. Wir suchen für jede Geschichte einen neuen Angang, eine ungewöhnliche Herangehensweise. Es muss überraschend sein, wenn es sich wiederholt, dann ist es nicht mehr „typisch Maus“. Ich arbeite auch gezielt mit Hochschullehrenden und kann sagen, dass die nach unserem Seminar immer ganz beseelt nach Hause fahren.
Was können die Hochschullehrenden denn von der Maus lernen?
Biemann: Im Prinzip sind das gar keine großen Dinge, sondern eher kleine. Das Fachwissen ist bei Hochschullehrenden natürlich vorhanden. Aber wenn wir uns bei der Maus in ein Thema einarbeiten, lassen wir zum Beispiel unwichtige Dinge weg und grenzen die Themen so ein, dass wir sie bearbeiten können. Gerade kam der Vorschlag, etwas über Biodiversität zu machen. Das Thema ist zu groß, um es in der Maus-Sendung komplett abzuhandeln und das wäre auch nicht sinnvoll für unsere Zielgruppe. Aber wir können uns die Frage stellen: Wie sähe ein Garten ohne Gelbrandkäfer aus? Anhand einer solchen Frage lässt sich ganz viel über Biodiversität erzählen – ohne die große Überschrift.
Aber kommt es an den Hochschulen nicht gerade darauf an, die Komplexität von Themen zu erfassen? Weglassen oder vereinfachen ist da nicht immer möglich, oder?
Biemann: Es geht nicht ums Vereinfachen, das wäre ein Missverständnis. Es geht darum, Dinge aufs Wesentliche zu reduzieren, auf das, was wirklich wichtig ist. Wenn ich ein Thema recherchiere, achte ich darauf, an welchem Punkt bei mir der Groschen fällt. Also wo ich denke: Jetzt habe ich es verstanden! Jeder hat das, was er erzählt, einmal gelernt und hat diesen Punkt erlebt. Und daran sollte man sich erinnern, wenn man den Inhalt anderen vermitteln möchte.
Was geben Sie den Hochschullehrenden noch mit?
„Humor ist ein wichtiger Teil des „Maus-Prinzips“. Ein Schmunzeln muss mindestens dabei sein.“
Biemann: Dass sie eine Geschichte erzählen sollen, eine Dramaturgie entwickeln: Am Anfang steht ein Problem, das wird dann aufgedröselt und am Ende möglichst gelöst. Und dafür braucht man einen Helden oder eine Heldin, um einen Fachbegriff zu nennen. Damit meine ich jemanden, mit dem man sozusagen auf eine Reise geht und mit dem man sich ein bisschen identifiziert. Hinzu kommt: Wenn jemand zum Beispiel eine Vorlesung hält, sollte man merken, was die Person mit den Inhalten zu tun hat. Am besten ist es, wenn man nicht nur von etwas Abstraktem erzählt, sondern für das Thema brennt und davon fasziniert ist. Für uns gehört es ganz wesentlich zum „Maus-Prinzip“, dass wir die Geschichten, die wir machen, selbst spannend finden. Dass wir begeistert sind von den Themen und uns Mühe geben, sie gut zu verpacken. Und, ganz wichtig, dass es uns Spaß macht. Humor ist ein wichtiger Teil des „Maus-Prinzips“. Ein Schmunzeln muss mindestens dabei sein. Wir arbeiten viel mit Emotionen und lassen dafür sogar eigens Musik komponieren.
Zur Person
Christoph Biemann
Der TV-Produzent, Autor und Darsteller war 1982 das erste Mal in der „Sendung mit der Maus“ zu sehen und gehört seither zum festen Ensemble der Kindersendung. Seine Markenzeichen sind sein Schnauzer und der grüne Pullover.
Oft sind Themen im Hochschulkontext ja theoretisch und trocken. Wie kann das „Prinzip Maus“ da helfen?
Biemann: Grundlegend ist, dass man sich Mühe gibt, etwas spannend aufzubereiten. Es ist sehr hilfreich, wenn die Studierenden merken, dass jemand für das Thema brennt. Ich habe zum Beispiel mit Hochschullehrenden gearbeitet, die Statistik für Architekten unterrichten – also ein Thema, das gemacht werden muss, an dem aber die wenigsten Studierenden Spaß haben. Und ich denke, die haben am meisten profitiert, weil sie gemerkt haben: Auch bei einem solchen Thema kann man sich bemühen, dafür brennt jemand. Man kann Beispiele und Modelle einsetzen, man kann buntere Sprache benutzen. Das freie Sprechen ist insgesamt sehr wichtig, man sollte nicht an seinen Folien kleben. Ich rate auch allen, Vorträge mit einer Person aus dem eigenen Umfeld zu üben, weil man dann am besten merkt, wo noch Unklarheiten sind, was nicht verständlich ist.
Es geht also darum, einen größeren Fokus auf die Art und Weise zu setzen, wie man erklärt?
„Wenn man etwas erklärt und es wird nicht verstanden, ist das keine Unterhaltung und kein positives Erlebnis.“
Biemann: Man sollte das Erklären als Wert an sich sehen und es sich als Ziel setzen, gut zu erklären, nicht nur seinen Stoff abzureißen. „Die Sendung mit der Maus“ ist eigentlich eine Unterhaltungssendung, das Erklären eines Inhalts passiert mehr nebenbei. Aber wenn man etwas erklärt und es wird nicht verstanden, ist das keine Unterhaltung und kein positives Erlebnis. Wenn Leute uns bei Dreharbeiten begleiten, fällt ihnen auf, dass wir nicht anders arbeiten als andere Filmemacher:innen. Und das stimmt. Wir machen keine Zauberkunststücke. Wir versuchen, schöne Bilder zu machen aber auch lustig zu erzählen, locker zu erzählen und ich denke, wir haben uns die Fähigkeit angeeignet, so zu sprechen, dass es verständlich ist. Das ist nicht selbstverständlich. Ich will, dass die Zuschauenden nach fünf Minuten sagen: „Ah! Das finde ich interessant, das wusste ich noch nicht.“ Selbst wenn sie es eine Woche später vielleicht nicht mehr parat haben, bleibt das Gefühl, dass man solche Sachen verstehen kann.
Bei Ihnen spürt man eine große Begeisterung für die Themen, die Sie in Ihren Filmen erkunden. Ist das eine bewusste Strategie?
Biemann: Das ist einfach meine eigene Neugierde. Ich war schon als Kind verschrien, wenn Freunde mich mit nach Hause nahmen, haben deren Eltern gesagt: Bring den nicht wieder mit, der fasst alles an. Ich war immer schon sehr neugierig, wollte die Sachen in die Hand nehmen und herausfinden, wie sie funktionieren. Das habe ich mir bewahrt. Ich bin sozusagen berufsneugierig. Viele Hochschullehrende vergessen, dass sie selbst einmal lernen mussten, was sie jetzt lehren und können sich gar nicht mehr vorstellen, wie man das nicht verstehen kann. Ihnen versuche ich mitzugeben: Seid neugierig und erinnert euch daran, wie es euch ging, als ihr auf diesen Bänken oder vor diesem Bildschirm saßt.
Das University:Future Festival (U:FF) ist die größte Veranstaltung zur (digitalen) Zukunft der akademischen Bildung. Themen sind unter anderem KI, Future Skills, Didaktik und Strategieprozesse. Vom 13. – 15.05. findet das Festival unter dem Motto /imagine auf der Mainstage in Berlin sowie auf vier Partnerbühnen und digital statt.
Zur Autorin
Greta Lührs
Greta Lührs ist Kommunikationsmanagerin der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.