Gold heben für die ganze Hochschule
Ein Beitrag von Antonia Hildebrandt und Raika Selle
Eingefrorene Bilder, wacklige Verbindung, Audioverzögerung – an solche Störfaktoren mussten sich Studierende und Lehrende mit dem Wechsel in die Online-Lehre gewöhnen. Die chaotische Anfangsphase der Corona-Pandemie zeigte: Gute digitale Lehre braucht stabile Tools und Formate. Das Projekt „praxwerk“ an der Hochschule Anhalt wollte hierfür eine Grundlage schaffen und wurde schnell zur Anlaufstelle für digitale Lehre. „Durch das Projekt hatte die Hochschule plötzlich eine Art Taskforce für akute Situationen“, sagt Dr. Beata Walter, Projektkoordinatorin und Referentin des Vizepräsidenten für Studium, Lehre, Digitalisierung und Weiterbildung. Ziel war es nicht nur, Lehrende bei der (Neu-)Gestaltung ihrer Unterrichtsformate zu unterstützen, sondern auch, Erfolge nachhaltig nutzbar zu machen. „Wir wollten dafür sorgen, dass gute Erfahrungen aus digitalen Lehrformaten nicht in Vergessenheit geraten und sie in didaktische Konzepte überführen, die auch nach der Pandemie noch funktionieren“, so Walter.
Lernen im digitalen Labor
In den vergangenen Jahren wurden bereits einige Einzelprojekte zur Erprobung neuer digitaler Lernsettings umgesetzt. „Wir haben uns gefragt, wie wir über die scheinbaren Grenzen der Digitalisierung an unserer Hochschule hinausdenken können“, sagt Prof. Dr. Lothar Koppers, Vizepräsident für Studium, Lehre, Digitalisierung und Weiterbildung. Aus diesem Antrieb heraus ist unter anderem ein virtuelles Biotechnologie-Haus entstanden, in dem man per Simulation zum Beispiel Wein herstellen kann. Die Idee stammt ursprünglich aus einer Masterarbeit und wurde im Rahmen von „praxwerk“ weitergeführt. Für andere Lehrveranstaltungen erarbeitete das Projektteam Konzepte für interaktive VR-Präsentationen, störungsfreie Audioübertragung und Hybridtechnologien zur flexiblen Gestaltung von Lehr- und Lernräumen. Um verschiedene Raumdimensionen erlebbar zu machen, holte sich das Team Unterstützung von Expert:innen aus den Bereichen Audio, Haptik, Virtual und Augmented Reality. Fachvertreter:innen aus Sozialwissenschaften, Methodik und Didaktik begleiten und evaluieren die Arbeit.
Zu den Personen
Prof. Dr. Lothar Koppers
Vizepräsident für Studium, Lehre, Digitalisierung und Weiterbildung der Hochschule Anhalt
Dr. Beata Walter
Projektkoordinatorin im Projekt „praxwerk“ und Referentin des Vizepräsidenten für Studium, Lehre, Digitalisierung und Weiterbildung
Bildrechte: Hochschule Anhalt
Hochschule rückt zusammen
Die Arbeit von „praxwerk“ hat auch über die Lehre hinaus Spuren im Hochschulleben hinterlassen. Mit ihren sieben Fachbereichen und mehr als 6.000 Studierenden ist die Hochschule Anhalt auf die drei Standorte Dessau, Köthen und Bernburg verteilt. „Das führt dazu, dass wir nicht nur durch unsere Fachkulturen, sondern auch räumlich voneinander getrennt sind“, erklärt Walter. „Es gibt Mitarbeitende und Studierende, die noch nie die anderen Standorte gesehen haben.“ Diese Distanz sei manchmal herausfordernd – besonders wenn es darum geht, ein standortübergreifendes Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Durch „praxwerk“ habe sich die Situation zum Positiven verändert, sagt Walter: „Wir konnten Hochschulangehörige dazu anregen, im Rahmen unserer interdisziplinären Praxisprojekte zusammenzuarbeiten. Einige davon laufen mittlerweile eigenständig weiter.“
Positive Nebeneffekte
Das Projekt wuchs im Verlauf schnell über seine ursprünglichen Aufgaben und Ziele hinaus – so auch Ende 2022, als ChatGPT auf den Markt kam. „Es war sofort klar: Das betrifft uns, da müssen wir reagieren. Umso praktischer war es, mit ‚praxwerk‘ bereits eine Anlaufstelle zu haben, bei der man dieses Thema platzieren konnte“, erklärt Walter. Zeitnah beauftragte die Hochschulleitung das Projektteam, eine Arbeitsgruppe für KI ins Leben zu rufen, die Leitlinien entwickelte, ein Tool bereitstellte und den Austausch förderte. „Das Projekt hat uns den Raum gegeben, zu experimentieren und herauszufinden, was wirklich funktioniert.“ Die Arbeitsgruppe besteht nun unabhängig von „praxwerk“ weiter und soll die Hochschule langfristig beraten.
Zum Projekt
Das Projekt „praxwerk“ wird seit August 2021 im Rahmen der Förderbekanntmachung „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ von uns gefördert. Eines der zentralen Ziele liegt darin, digitale Lehre partizipativ zu gestalten und Ideen für innovative Lehrformate zu erproben. Dadurch sollen Lehrende und Studierende aller Fachbereiche zur Co-Creation hybrider Lehr- und Lernräume befähigt werden. Die Abkürzung „praxwerk“ steht für „praktische Werkstätten“ und orientiert sich an der Bauhaus-Tradition, die Praxis, Gestaltung und Interdisziplinarität miteinander verbindet.
Und auch in Sachen Transfer ergab sich Unerwartetes: Mit der „Teach(ers)-Time“ initiierte das Team von „praxwerk“ eine Fortbildungsreihe, die darauf abzielt, Projektergebnisse weiterzugeben und in andere Fachbereiche zu übertragen. „Inzwischen ist unser Angebot deutlich gewachsen und wir haben jedes Semester über hundert Teilnehmende“, sagt Walter. Und die Nachfrage steigt weiter: „Viele Hochschulangehörige engagieren sich mittlerweile selbst als Referent:innen oder bringen eigene Impulse ein.“ Der Aufbau eines solchen Fortbildungssystems sei nicht geplant gewesen, werde aber als große Bereicherung wahrgenommen, so Koppers. „Ich glaube, das ist etwas, das bleibt.“
Die unerwarteten Wendungen, die das Projekt seit Beginn der Pandemie genommen hat, wirken bis heute nach. Einige Formate – etwa das virtuelle Biotechnologie-Labor – konnten bereits verstetigt werden, andere wiederum haben Raum für neue Ideen und Folgeprojekte geschaffen. Für Koppers liegt die besondere Stärke von „praxwerk“ in der standort- und fachübergreifenden Zusammenarbeit – und in dem, was daraus entstanden ist: „Unser Projekt begeistert mich, weil wir bereits einiges Gold heben konnten für die gesamte Hochschule.“
Zur Autorin
Antonia Hildebrandt
Kommunikationsmanagerin
Antonia Hildebrandt ist Kommunikationsmanagerin der Stiftung Innovation in der Hochschullehre
Zur Autorin
Raika Selle
Volontärin Kommunikation
Raika Selle ist Volontärin im Team Kommunikation der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.