Innovationspreis für digitale Lernwelten
Ein Beitrag von Raika Selle
Seit fast vier Jahren fliegt der „AdLer“, wie Prof. Dr.-Ing. Jörg Abke sein Projekt gerne nennt. „AdLer“ – das steht für „Adaptive digitale Lernräume“. „Unser Ziel war es, ein immersives, Game-based Learning-Erlebnis für Studierende zu schaffen, das fachunabhängig einsetzbar ist.“ Der spielerische Ansatz ermöglicht es Studierenden, sich mit Avataren durch virtuelle Räume zu bewegen, in denen Lerninhalte und -materialien hinterlegt sind. In der einen Ecke ein Schrank mit Büchern, hinter denen sich PDF-Texte verbergen, in der anderen ein Bildschirm, der zu einem YouTube-Video führt. Aus der Verbindung mehrerer Räume und Umgebungen entstehen Lernwelten, die es zu erschließen gilt. Gestaltet werden diese Umgebungen von den Lehrenden mithilfe des sogenannten Autorentools, das so etwas wie das Backend des „AdLers“ ist. Hier können sie Lernziele definieren, Materialien einpflegen und Lernräume zusammenstellen.
In welchem Rahmen und mit welchem didaktischen Konzept sie den „AdLer“ nutzen, ist den Lehrenden selbst überlassen. „Da sind verschiedenste Settings denkbar“, erklärt Abke. „Ein Kollege hat das zum Beispiel für die Klausurvorbereitung genutzt und im ‚AdLer‘ eine Zusammenfassung der Lerninhalte mit anschließendem Selbsttest bereitgestellt. Ich selbst habe das Tool in den letzten zwei Semestern begleitend für meine Vorlesung und die Übungsveranstaltung eingesetzt.“ Dabei gehe es nicht darum, vollautomatische Lehre zu betreiben und Dozierende zu ersetzen. Ziel sei vielmehr, neue Gestaltungsspielräume zu eröffnen.
Das „AdLer“-Team bei der Preisverleihung (Copyright: Messe Karlsruhe/ Jürgen Rösner) und Einblicke in das Tool (Screenshots)
„A“ wie „adaptiv“
Das Projekt-Akronym verweist auf eine der zentralen Eigenschaften des Tools: seine Adaptivität. Diese ermöglicht es Lehrenden nicht nur, individuelle 3D-Umgebungen und Lernpfade zu gestalten. „Adaptiv bedeutet auch, dass das Tool auf den Kenntnisstand und Fortschritt der Studierenden reagiert. Wenn beispielsweise ein Quiz noch nicht so gut lief, können zusätzliche Lernräume oder Wiederholungen freigeschaltet werden, die dabei helfen, den Lernstoff zu verinnerlichen. Selbstgesteuert und unabhängig von Raum und Zeit“, so Abke. Neben inhaltlichen Aspekten gehöre dazu auch mal die Erinnerung an eine Bewegungspause, wenn das System erkennt, dass ein:e Nutzer:in schon Stunden mit dem Tool verbracht hat. Hier fließen wissenschaftliche, evidenzbasierte Erkenntnisse mit in das Programm ein.

Zur Person
Prof. Dr.-Ing. Jörg Abke
Jörg Abke ist Professor an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften und Informatik der Technischen Hochschule Aschaffenburg. In seiner Forschung befasst er sich unter anderem mit KI, Lerntechnologien und eingebetteten Systemen. Zusammen mit seinen Kollegen aus Aschaffenburg und Kempten leitet er das „AdLer“-Projekt.
Erprobt und im Einsatz
Seit dem ersten Prototyp wird der „AdLer“ kontinuierlich weiterentwickelt. Über die gesamte Projektlaufzeit hinweg fanden Erprobungsphasen statt, um die Software zu optimieren und an die Bedürfnisse der Nutzenden anzupassen. Auch Studierende wurden frühzeitig in diesen Prozess miteinbezogen. „Das war sehr hilfreich, weil sie nochmal eine andere Perspektive mitbringen. Wir wissen ja, wie man das Tool bedient, aber Studierende gehen anders an gewisse Herausforderungen heran“, so Abke. Die Rückmeldungen zum Einsatz des „AdLers“ seien überwiegend positiv ausgefallen. „Das Besondere ist, dass die Studierenden ihre Lernwelt über einen eigenen Avatar als Identifikationsfigur erleben. Das ist natürlich erstmal neu und spannend. Dennoch bekommen wir auch kritisches Feedback.“
Parallel zur Weiterentwicklung ist der „AdLer“ bereits aktiv im Einsatz. „Aktuell sind wir in Gesprächen mit anderen Hochschulen und Institutionen, die Interesse an unserem Tool haben. Ein großes Ziel unseres letzten Projektjahres ist, dass wir den ‚AdLer‘ weiterverbreiten wollen“, berichtet Abke. Technisch gesehen sei das kein Problem, denn die Software ist frei verfügbar und unabhängig von Betriebssystem und Browser einsatzfähig. Um die Interessierten zu schulen, hat das Projektteam bereits mehrfach Workshops angeboten.
Erfolg bei der Preisverleihung
Nach vier Jahren Laufzeit wurde das Projekt nun mit dem delina Innovationspreis für digitale Bildung ausgezeichnet. Das Projektteam sicherte sich mit seinem Lehr- und Lern-Tool den ersten Platz in der Kategorie „Hochschule“. „Das ist für uns ein riesiger Erfolg und zeigt, wie gut unsere Idee ankommt“, so Abke.
Wie es nach Ende der Förderung für das Projekt weitergeht, ist noch unklar. Die zugrundeliegenden Technologien unterlägen einem Alterungsprozess, so Abke. Da brauche es dauerhafte Betreuung und regelmäßige Sicherheitsupdates, um den funktionalen Anforderungen weiterhin gerecht zu werden. Ob und wie sich das realisieren lässt, bleibt abzuwarten. „Ich würde mir wünschen, dass der ‚AdLer‘ erfolgreich weiterfliegen kann.“
Das Projekt
Das „AdLer“-Projekt wird seit 2021 im Rahmen unserer Förderbekanntmachung „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ unterstützt. Es entstand aus einer Kooperation von Prof. Dr.-Ing. Jörg Abke, Prof. Dr.-Ing. Jens Elsebach und Prof. Dr. Raphael Roßmann von der TH Aschaffenburg sowie Prof. Dr. Georg Hagel von der Hochschule Kempten, die Verbundpartner des Projektes ist. Auch das Zentrum für Fernstudien im Hochschulverbund (zfh) ist seit Projektbeginn als Kooperationspartner beteiligt. Mehr Infos über „AdLer“ finden Sie auf der Projekt-Website.
Der delina Award
Der delina Innovationspreis für digitale Bildung wird jährlich auf der LEARNTEC-Messe in vier Kategorien verliehen: „Frühkindliche Bildung und Schule“, „Hochschule“, „Aus- und Weiterbildung“ sowie „Gesellschaft und lebenslanges Lernen“. Ausgezeichnet werden innovative digitale Bildungsprojekte, die neue Perspektiven für die Zukunft des Lehrens und Lernens eröffnen. Im Mai 2025 wurde der delina Award zum 18. Mal verliehen.
Zur Autorin
Raika Selle
Raika Selle ist Volontärin im Team Kommunikation der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.