Jubiläumsserie: Interview mit Prof. Dr. Michael Hoch
Was haben Sie in den vergangenen fünf Jahren über Innovation gelernt?
Innovation entsteht in unserer vernetzten und diversen Hochschullandschaft durch ein Zusammenspiel zwischen Personen über Disziplingrenzen hinaus. Die pandemiebedingte Umstellung auf digitale Formate hat eindrücklich gezeigt, wie schnell Hochschulen handlungsfähig sein können: Prozesse wurden beschleunigt, Tools beschafft sowie Lehr- und Prüfungsformate angepasst. Zugleich wurde deutlich, dass Innovation auf institutionelle Anschlussfähigkeit angewiesen ist: Sie muss in Governance, Qualitätsentwicklung und Ressourcensteuerung eingebettet werden, um nachhaltig zu wirken.
Welche Innovationen haben Ihrer Meinung nach die Lehre in den vergangenen fünf Jahren maßgeblich verändert?
Die digitale Transformation von Fachcurricula, Lehr-Lernbedingungen und Prüfungen wurde durch die Pandemie stark beschleunigt und bildet inzwischen eine handlungsleitende Dimension strategischer Hochschulentwicklung. Sie führte neben der nötigen Technisierung auch zur kritischen Analyse und Neukonzeption didaktischer Szenarien, zum Beispiel hinsichtlich hybrider Formate oder alternativer Prüfungsformen. Ferner beobachten wir eine wachsende Wertschätzung der Hochschuldidaktik: Professionalisierungsangebote, Infrastrukturen für Open Educational Resources und neue kollegiale Austauschformate tragen zur Qualitätsentwicklung ebenso bei wie zur Sichtbarkeit und Anerkennung von Lehre. Die breite Verfügbarkeit generativer KI-Modelle hat eine intensive Selbstreflexion angestoßen, die neben curricularen und prüfungsrelevanten Kompetenzen auch ethisch-normative Fragestellungen sowie didaktische Potentiale neuer Werkzeuge umfasst. Die Breite und Intensität dieser Auseinandersetzung verdeutlicht, dass generative KI alle Bereiche von Studium und Lehre strukturell und nachhaltig prägen wird.

Zur Person
Prof. Dr. Michael Hoch
Michael Hoch ist seit 2015 Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Darüber hinaus ist er Vorstandsvorsitzender des Universitätsverbands German U15.
Auf welche Innovation warten Sie?
Ich erwarte eine dezidiert wissenschaftsgeleitete Weiterentwicklung unserer Lehr-Lernbedingungen, fußend auf der Integration von Learning Analytics und einer systematischen Beforschung lernunterstützender Maßnahmen. Ziel muss eine flächendeckende individualisierte und effektive Lernbegleitung sein. Parallel dazu erhoffe ich die Etablierung flexibler Studienarchitekturen, die heterogenen Bildungsanforderungen/-biografien sowie Teilzeit-, Mobilitäts- und Weiterbildungsbedarfen Rechnung trägt. Das Studium der Zukunft wird nicht nur digitaler, sondern vor allem durchlässiger, adaptiver und diversitätssensibler sein müssen.
Wenn Sie zurückblicken: Was hätten Sie vor fünf Jahren gerne gewusst, was heute wichtig für Sie ist?
Die vergangenen Jahre haben verdeutlicht, dass Innovationen und exzellente Ideen im luftleeren Raum weder entstehen noch fortbestehen. Sie benötigen eine strategische Verankerung in anschluss- und entwicklungsfähigen Strukturen, um nachhaltig wirksam zu werden.
Was denken Sie, wie kann Lehre in fünfzehn Jahren aussehen?
Lehre wird individueller, partizipativer und technologiegestützter sein. Flexible Studienverläufe und datenbasierte Lernunterstützung werden zur Normalität gehören. KI-Assistenzsysteme sowie didaktisch durchdachte hybride Settings werden die Lernprozesse personalisieren, wobei didaktische Qualität und soziale Teilhabe zentrale Aspekte bleiben. Daher wird die Lehre der Zukunft sich auch an der Schaffung von lernförderlichen und inklusiven Lernräumen messen lassen.