Jubiläumsserie: Interview mit Prof. Walter Rosenthal
Was haben Sie in den vergangenen fünf Jahren über Innovation gelernt?
Die digitale Transformation verändert auch die Hochschulen rasant. Dabei wird wieder deutlich, dass Innovation mehr als technischer Fortschritt ist. Für Innovationen in der Hochschullehre sind immer auch strukturelle, didaktische und kulturelle Veränderungen notwendig: Lehrende müssen Freiräume haben, um innovative Lehr- und Lernkonzepte zu entwickeln und zu testen sowie sich mit Peers zu vernetzen. Zudem bedarf die Hochschullehre der kritischen Reflexion bestehender und neuer Praktiken und Rahmenbedingungen sowie auch kultureller und organisatorischer Entwicklungen.
Welche Innovationen haben Ihrer Meinung nach die Lehre in den vergangenen fünf Jahren maßgeblich verändert?
Virtuelle und hybride Lehrkonzepte ergänzen und verbessern traditionelle Präsenzveranstaltungen und ersetzen sie teilweise. Adaptive Lernsysteme und interaktive Tools ermöglichen es, Studierende individuell zu fördern. In diesen Settings gewinnen digitale und akademische Kompetenzen von Lehrenden und Lernenden weiter an Bedeutung. Die Verfügbarkeit generativer KI hat zusätzlich Veränderung in das System gebracht und wird es nachhaltig prägen.
Auf welche Innovation warten Sie?
Diverse Projekte zeigen bereits, dass Virtual und Augmented Reality komplexe, praxisnahe Lernszenarien in virtuellen Räumen produktiv abbilden kann. Dadurch werden abstrakte Konzepte greifbarer und interaktiver vermittelbar. Diese Innovation kann flächendeckend zu weiteren Qualitätssteigerungen im Studium führen und in einigen Fächern ganz neue Möglichkeiten eröffnen, um etwa die Arbeit in Laboren oder am Krankenbett alltagsnah zu simulieren.

Zur Person
Prof. Dr. Walter Rosenthal
Walter Rosenthal ist seit 2023 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Zuvor war er Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Wenn Sie zurückblicken: Was hätten Sie vor fünf Jahren gerne gewusst, was heute wichtig für Sie ist?
Seit einigen Jahren wird angesichts des weltweiten Aufschwungs populistischer Strömungen, zunehmender politischer Polarisierung und fahrlässig oder vorsätzlich verbreiteter Desinformation noch deutlicher, welche zentrale Rolle die Wissenschaft für Demokratiebildung und Rechtstaatlichkeit spielt. Forschung und Lehre tragen Mitverantwortung für die Bewahrung liberaler und demokratischer Werte. Wir müssen Räume für kritisches Denken und einen geregelten Diskurs schaffen – nicht nur auf dem Campus, sondern auch für die Gesellschaft.
Was denken Sie, wie kann Lehre in fünfzehn Jahren aussehen?
Die Hochschullehre wird noch stärker von digitalen Möglichkeiten beeinflusst sein. Zugleich werden die zentralen Merkmale akademischer Bildung dabei unverändert im Fokus stehen: Die Hochschullehre wird weiter den pädagogisch-didaktischen und fachlichen Rahmen bilden, in dem Studierende die Kompetenzen entwickeln, die sie zur eigenständigen Problemlösung auch in unvertrauten und komplexen Situationen, zur kritischen Wissensgenerierung und zum innovativen und professionellen Handeln befähigen. Mit diesen „future skills“ sind die Absolvent:innen unserer Hochschulen hervorragend für die Zukunft gerüstet.