Jubiläumsserie: Interview mit Prof. Dr. Veronika Thurner
Was haben Sie in den vergangenen fünf Jahren über Innovation gelernt?
Aus meiner Sicht ist Innovation ein kontinuierlicher Prozess, der am besten funktioniert in einem bunten (also diversen) Team. Damit Innovation in Gang kommt, braucht es als Auslöser ein durchaus drängendes Problem. Der innovative Prozess selbst benötigt dann aber entsprechende Freiräume, damit sich die für die Innovation erforderliche Kreativität gut entfalten kann. (Diese Erkenntnis ist schon etwas älter als fünf Jahre, aber trotzdem immer noch aktuell.)
Welche Innovationen haben Ihrer Meinung nach die Lehre in den vergangenen fünf Jahren maßgeblich verändert?
Die Entwicklung und flächendeckende Verfügbarkeit von Werkzeugen der generativen Künstlichen Intelligenz verändert auf disruptive Weise Berufsbilder und somit auch die Kompetenzprofile, auf die wir über unsere Studienangebote vorbereiten. Als Hochschullehrende sind wir daher aufgerufen, dieser Entwicklung in unseren Studienangeboten Rechnung zu tragen und die Zielprofile unserer Studiengänge sowie die Lernzieldefinitionen auf Modulebene entsprechend anzupassen.
Gleichzeitig verändert die Verfügbarkeit von generativer KI nicht nur das Ziel an sich, sondern auch die Optionen für die verschiedenen Wege dahin. Hier entfaltet sich zunehmend Potenzial für individuelle Lernpfade mit bedarfsgerechter Unterstützung, sowohl eigeninitiativ für die Lernenden als auch für die Lehrenden bei der Gestaltung ihrer Angebote.
Auf welche Innovation warten Sie?
Aktuell beobachte ich, dass durch die Verfügbarkeit von generativer KI die Schere zwischen den Studierenden weiter auseinandergeht: Leistungsstarke Studierende nutzen die neuen Werkzeuge meist gezielt und kritisch reflektiert und erzielen so für sich in kurzer Zeit beeindruckende Leistungen und Lerneffekte. Im Gegensatz dazu tendieren Studierende, die sich eher schwer tun dazu, generative KI als „easy way out“ zu nutzen, indem sie zu Aufgabenstellungen, die sie nicht voll verstanden haben und bei deren Lösungsversuchen sie daher nicht weiterkommen, unreflektiert eine KI befragen, deren Generat sie dann einfach nutzen bzw. abgeben, ohne es kritisch reflektiert oder gar wirklich durchdrungen zu haben. Dadurch verbauen sich diese Studierenden die Möglichkeiten von größeren Aha-Effekten, die sich manchmal eben erst nach einem eher mühseligen und anstrengenden eigenen Denkprozess einstellen. Für dieses Dilemma hätte ich sehr gerne eine Lösung.

Zur Person
Prof. Dr. Veronika Thurner
Veronika Thurner ist Dekanin der Fakultät für Informatik und Mathematik und stellvertretende Frauenbeauftragte an der Hochschule München. Seit 2018 ist sie zudem als Trainerin am Bayerischen Zentrum für Innovative Lehre (BayZiel) für das Seminar Hochschuldidaktik tätig.
Wenn Sie zurückblicken: Was hätten Sie vor fünf Jahren gerne gewusst, was heute wichtig für Sie ist?
Wie sich der Themenbereich der Nachhaltigkeit ins fachliche Lehrportfolio der Informatik gut integrieren lässt. Da habe ich die letzten fünf Jahre viel dazu gelernt.
Was denken Sie, wie kann Lehre in fünfzehn Jahren aussehen?
Dazu formuliere ich lieber einen Wunsch als eine Prognose. Ich wünsche mir ein ganzheitliches Lehren und Lernen, das neben fachlichen und methodischen Kompetenzen auch Wertehaltungen und Persönlichkeitsentwicklung adressiert und bei dem neben der technischen beziehungsweise fachlichen Expertise auch die Wirkung unseres Handelns in einer globalen Welt explizit zum Thema wird. Um das möglich zu machen, wird es – zumindest nach meiner aktuellen Einschätzung – immer noch zwischenmenschliche Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden brauchen, die aber vermutlich noch mehr als jetzt schon durch (digitale) Technik unterstützt und begleitet werden wird.