Jubiläumsserie: Interview mit Stefanie Otte
Was haben Sie in den vergangenen fünf Jahren über Innovation gelernt?
Die universitäre juristische Ausbildung wird häufig als nicht mehr zeitgemäß empfunden. Sie bereitet die Studierenden nicht hinreichend auf die Tätigkeiten des Rechtswesens im Zeitalter der Digitalisierung vor. Vielen Akteur:innen aus Politik, Praxis und Lehre scheint es jedoch trotz anhaltender Kritik nicht leicht zu fallen, bestehende Strukturen zu hinterfragen und nachhaltige Veränderungen einzuleiten. In meiner Rolle als Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle habe ich gelernt, dass nachhaltige Innovationen eine kontinuierliche Reflexion und Anpassung erfordern. In der juristischen Ausbildung sind Innovationen dringend notwendig, um sie zeitgemäß, fair und attraktiv zu gestalten.
Welche Innovationen haben Ihrer Meinung nach die Lehre in den vergangenen fünf Jahren maßgeblich verändert?
Durch die großen Fortschritte der Digitalisierung könnte die juristische Lehre schon heute moderner sein, etwa durch Online-Vorlesungen, digitale Lernplattformen und E-Learning-Tools. Die Studierenden wünschen sich zu Recht, dass diese modernen Lernformen standardmäßig zur Verfügung gestellt werden. Neben der Lehrmethodik müssen aber auch die Lehrinhalte und das Prüfungswesen stärker in den Blick genommen werden, um die Qualität und Fairness der Ausbildung zu verbessern. Damit Studierende besser auf die Praxis vorbereitet werden, sind neue Technologien und digitale Kompetenzen stärker in die juristische Ausbildung zu integrieren.
Auf welche Innovation warten Sie?
Ich warte auf eine umfassende Integration von Zukunfts- und Digitalisierungsthemen in die juristische Ausbildung. Durch die zunehmende Technisierung von Rechtsanwendung in Anwaltschaft, Unternehmen, Justiz und Verwaltung kommt es zunehmend auf methodische Grundlagen an, während die Bedeutung spezifischen Fachwissens mehr und mehr abnimmt. Dies sollte sich auch in den juristischen Lehrinhalten und in den Prüfungen widerspiegeln. Zudem erhoffe ich mir innovative Konzepte, die die juristische Ausbildung flexibler gestalten und die praktische Ausbildung im Jurastudium und Referendariat stärken, um die Attraktivität der juristischen Berufsbilder zu erhöhen und die Förderung des Nachwuchses zu verbessern.

Zur Person
Stefanie Otte
Stefanie Otte ist seit 2018 Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle und gehört als ständiges Mitglied dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof an.
Wenn Sie zurückblicken: Was hätten Sie vor fünf Jahren gerne gewusst, was heute wichtig für Sie ist?
Ich hätte gern schon früher gewusst, wie wichtig es ist, dass die juristische Ausbildung sich stärker an den Anforderungen des digitalen Rechtsmarktes orientiert, um frühzeitig die Weichen für eine zukunftsfähige Ausbildung zu stellen. Die Justiz arbeitet mit der Einführung der elektronischen Akte künftig vollständig digital und auch die Nutzung von KI-Assistenzen und digitalen Hilfs-Tools nimmt auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt deutlich zu. Auch deswegen setze ich mich für eine Reform der juristischen Ausbildung ein.
Was denken Sie, wie kann Lehre in fünfzehn Jahren aussehen?
Ich hoffe, dass die juristische Ausbildung in fünfzehn Jahren moderner, flexibler und praxisorientierter ist als heute. Neben der Digitalisierung der Lehre bedarf es hierfür auch einer grundlegenden Reform des Prüfungsverfahrens. Denn immer weniger Studierende entscheiden sich dafür, die juristischen Staatsexamina abzulegen, welche Voraussetzung dafür sind, als Richter:innen, Staatsanwält:innen oder in der Anwaltschaft tätig zu sein. Eine zukunftsorientierte Ausbildung und ein gutes, faires und transparentes Prüfungssystem sind daher auch essenziell für die Aufrechterhaltung unseres Rechtsstaates.