Eine Community, die es ernst meint
Ein Beitrag von Dr. Esther Bishop
Gemeinsam Lehre im Wissenschaftssystem stärken
Ist das nur ein charmanter Gedanke, oder taugt er zu mehr? Was drückt es aus, wenn es gelingt, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Professor:innen so unbekümmert wie elegant miteinander bewegen? Wenn Füße fliegen, anstatt Reviere markiert, und Hüften schwingen anstatt Namen gedroppt werden? Lohnt es sich, die Analogie von kooperativem, gemeinsamem Voranschreiten zu bemühen und über aufeinander bezogene Bewegung nachzudenken? Möglicherweise sind wir damit bereits in einem Gegenentwurf zu einem Agendasetting, das im Verdacht steht, einer managerialen, wenn nicht gar ökonomistischen Logik zu folgen.
Die Tagung „Agendasetting mit Lehre?!“ wurde organisiert und durchgeführt von Dr. Stephanie Müller-Otto, im Auftrag der StIL und für die wachsende Community aus Alumni der Begleitprogramme unserer Projektförderungen. Neben der Projektfinanzierung bietet die StIL ein breites Portfolio an Weiterbildungs- und Konferenzprogrammen an, das einerseits die Erweiterung der Handlungsspielräume und Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeiten der geförderten Projekte zum Ziel hat, und andererseits eine Community aus besonders engagierten Personen entwickeln möchte. Wie ich beobachten konnte, wird diese Community zunehmend greifbar. Sie ist in unseren begleitenden Aktivitäten gewachsen und zusammengerückt. Begegnet ist man sich seit der Gründung der StIL in Think Tanks, vier TURN-Konferenzen, Begutachtungsverfahren oder Beteiligungsprozessen zur Konzeption von Förderungen. Bei vier University:Future Festivals, zwei Jahresprogrammen zur Lehre im Kontext von Nachhaltigkeit, diversen Weiterbildungsangeboten oder den Wikipedia-Schreib-Retreats. Überall dort und an vielen weiteren Stellen begegnet sich und uns nun eine Community, die es ernst meint. Und das wegen und nicht trotz ihrer Heterogenität. Mit ihr einher geht die Vielfältigkeit der Ansatzpunkte, über welche Lehre im Wissenschaftssystem gestärkt werden kann.
Eindrücke von der Tagung (Fotos: Leon Tröster)
Personen verbinden, sichtbar machen und ihre Handlungsrepertoires erweitern
Aber welche Lehre wollen wir auf die Agenda heben? Wollen wir wirklich zur Perpetuierung externer Anreize zur Lehrentwicklung in einem sich immer weiter beschleunigenden Wettbewerb um Aufmerksamkeit beitragen? Oder denken wir Lehre als ‚internes Gut‘, das sich Knappheitsprämissen entzieht, und stellen das Nachdenken über Formate, die zur Identifikation aller an Lehre beteiligten Akteursgruppen beitragen, in den Mittelpunkt? Dr. Birgit Sczyrba von der Technischen Hochschule Köln und Prof. Oliver Reis von der Universität Paderborn setzten mit diesen Fragen in ihrer Keynote die Agenda für kontroverse Diskussionen.
Es zeugt in meinen Augen von einer guten (angesichts internationaler Verwerfungen fast altmodisch anmutenden) Debattenkultur, dass die finanzierende Organisation einer Tagung auf offener Bühne mindestens implizit kritisiert werden kann und dies ein Anlass für eine zugewandte Auseinandersetzung der unterschiedlichen Akteure des Panels miteinander ist (Peter Greisler vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt, unsere Vorständin Dr. Cornelia Raue, Prof. Ulrich Bartosch von der Hochschulrektorenkonferenz, Dr. Birgit Sczyrba und Bettina Jorzik vom Stifterverband). Ziel der Gründung der StIL war von Beginn an, projekthafte Förderung durch Austausch und Transfer zu flankieren und so Personen innerhalb der Organisationen miteinander in Verbindung zu bringen, sie sichtbar zu machen und ihnen die Erweiterung ihres Handlungsrepertoires zu ermöglichen. Auf dieses Ziel zahlen Formate wie diese Tagung ein.
Am zweiten Konferenztag standen diverse Workshops auf dem Programm, die an die Themenfelder der StIL-Weiterbildungen der letzten Jahre anknüpften. Hochschulen organisationstheoretisch zu analysieren und auf dieser Basis die eigenen Projekte weiterzuentwickeln, laterale Führung zu üben, die Bedeutung informeller Strukturen (aka Organisationskultur) für Hochschulentwicklung zu erarbeiten und einen kritischen Blick auf die eigene Präsenz bzw. Wirkung im professionellen Kontext zu werfen, waren Schwerpunkte der Workshops. Dabei war es auffällig, wie schnell sich eine vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre einstellte.
Vertrauen und ein tragfähiges Netzwerk wurden auch von Prof. Christina Zitzmann als Ergebnisse des Weiterbildungsprogramms „Gestalterinnen der Lehre – Agendasetterin“ der StIL genannt (Interview zum Programm). Ihre Kollegin Prof. Nina Weimann-Sandig ergänzt: „Schade, das war‘s schon – nein, das war‘s noch lange nicht“. Denn Lehre als kollektives internes Gut muss sich auch durch individuelles Engagement in Netzwerken manifestieren, und die Agendasetterinnen scheinen auch über das Ende des Programms einiges vorzuhaben. Die Community derer, die es ernst meinen mit der Lehrentwicklung, findet sich und wächst.

Zur Autorin
Dr. Esther Bishop
Referentin Austausch & Vernetzung
ist Referentin für Austausch & Vernetzung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.