Beitrag vom
15.08.2022
Infopoint Hochschullehre
Spagat zwischen Wissenschaft und Beruf
Ein Beitrag von Janosch Reble
In Ihrem Workshop werden professionsorientierte Studiengänge im Mittelpunkt stehen. Was unterscheidet diese von anderen Studiengängen?
Mandy Schiefner-Rohs: Es gibt einige professionsorientierte Studiengänge, beispielsweise das Lehramt, Medizin, Jura – das alles sind Studiengänge, die sich durch einen besonderen Bezug zur beruflichen Tätigkeit auszeichnen. Zum einen ist das Berufsbild sehr klar, zum anderen haben sie aber auch besondere Aufgaben: Professionen erfüllen im Staat besondere Funktionen wie Bildung, Gesundheit oder Rechtsprechung. Das Studium ist für diese Berufe meist nur ein erster Ausbildungsteil. Eine praktische Phase wie beispielsweise das Referendariat folgt noch. Hinzu kommt: Professionen setzen sich meist mit ‚Krisen‘ auseinander, das heißt ihnen fehlen Routinen und sie arbeiten immer fallorientiert, zum Beispiel mit Kindern und Jugendlichen, Klient:innen oder Patient:innen.
Was bedeutet das für die Gestaltung von Lehrveranstaltungen?
Schiefner-Rohs: Gerade in professionsorientierten Studiengängen gibt es ja recht klare Erwartungen bezogen auf das Berufsfeld und damit die Rolle des Studiums als Vorbereitung darauf. Werden Berufsbezüge in den Lehrveranstaltungen nicht thematisiert, führt dies schnell zu Irritationen und sogar zur Enttäuschung von Studierenden. Das bedeutet, dass man sich als Lehrende:r konkret nochmals mit dem Verhältnis von Beruflichkeit und Wissenschaft auseinandersetzen muss: Welche Rolle spielt die berufliche Tätigkeit in der Lehrveranstaltung eigentlich? Welche Rolle spielt Forschungsorientierung? Letzteres zumal dann, wenn die Studierenden später nicht forschend tätig sein werden.
Gerade in der Lehrer:innenbildung werden diese Fragen mehr als deutlich: Viele meiner Studierenden fragen mich oft, wozu sie denn eigentlich forschen müssen, sie wollen doch Lehrer oder Lehrerin werden. Dabei ist aber klar: Auch Lehrer:innen werden in einer von Wissenschaft geprägten Gesellschaft arbeiten. Wenn nun Lehrpersonen ‚weniger Wissenschaft‘ erleben, können sie auch weniger Wissenschaft weitergeben und weniger wissenschaftlich lehren. Das erschwert der nachwachsenden Generation die Aneignung von wissenschaftlichen Weltzugängen und damit fehlt eine wesentliche Dimension ihrer Bildung.
„Es geht darum zu überlegen, wie Berufsorientierung inhaltlich einfließen kann, ohne zur Berufsausbildung zu werden.“
Für die Gestaltung von Lehrveranstaltungen impliziert dies sowohl eine thematische Auseinandersetzung wie auch eine formatbezogene. Es geht also darum zu überlegen, wie Berufsorientierung inhaltlich einfließen kann, ohne zur Berufsausbildung zu werden und gleichzeitig zu überlegen, welche Formate der Auseinandersetzung denn angemessen sind: von Vorlesung und Seminar bis hin zu Leistungsnachweisen und Abschlussarbeiten.
Zur Person
Prof. Dr. Mandy Schiefner-Rohs
Prof. Dr. Mandy Schiefner-Rohs
ist Universitätsprofessorin für Allgemeine Pädagogik mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik an der TU Kaiserslautern.
Foto: Lars Kilian
Wie gestalten Sie Grundlagenveranstaltungen so, dass der Spagat zwischen wissenschaftlicher Qualifizierung und Vorbereitung auf ein konkretes Berufsbild gelingt?
Schiefner-Rohs: Grundlagenveranstaltungen befinden sich ja meist am Beginn des Studiums und sollen den Grundstein für alles Weitere legen. Wenn wir das Studium mit einem klassischen Konzert vergleichen, sind sie so etwas wie die Ouvertüre, d.h. die Eröffnung und ein Ausblick auf das, was noch folgt. Im Auftakt eines Konzerts wird mit einer Ouvertüre ja das Hauptthema auch schon vorweggenommen und modelliert: so ähnlich ist das auch mit Grundlagenveranstaltungen im Studium. Hier sollen zentrale Momente des Studiums Raum und Platz finden.
Es geht zum Beispiel darum, dass Forschungsorientierung in Grundlagenveranstaltungen als hochschuldidaktisches Moment erfahrbar sein sollte, zeichnet doch gerade die Forschungsorientierung ein Studium – auch im Gegensatz zu einer beruflichen Ausbildung – aus. Das führt dann quasi automatisch zu Fragen der Relationierung von Forschungsorientierung und Beruflichkeit und damit zu einer Reflexion. Ich selbst mache dies in den Grundlagenveranstaltungen ganz unterschiedlich:
Zum Beispiel formatbezogen dadurch, dass ich die ‚klassische‘ Vorlesung „Einführung in die Schulpädagogik“ aufgebrochen habe und mit meinem Team Workshops anbiete, welche vor allem auch der Reflexion von Studienwahl und Motiven oder ersten Auseinandersetzungen mit Forschung dienen. So wird schon zu Beginn auch das Nachdenken über sich selbst in Studium und Beruf angeregt. Oder wir thematisieren auf inhaltlicher Ebene bewusst das Spannungsverhältnis zwischen Alltags- und Wissenschaftswissen und dessen ‚Unsicherheiten‘.
Welche Tipps können Sie anderen Lehrenden für die Gestaltung von Grundlagenveranstaltungen mitgeben?
„Gerade für professionsorientierte Studiengänge gilt es, mehr reflexive und forschende Elemente zu integrieren, also immer auch das ‚Warum‘ des Studiums zu verdeutlichen.“
Schiefner-Rohs: Gerade für professionsorientierte Studiengänge gilt es aus meiner Perspektive, mehr reflexive und forschende Elemente zu integrieren, also immer auch das ‚Warum‘ des Studiums zu verdeutlichen und kontinuierlich auch die forschende Haltung zum Thema zu machen. Zur Aufgabe wird es darüber hinaus, eine ‚kritisch-reflektierende Haltung zur beruflichen Praxis‘, wie es die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) so schön nennt, zu entwickeln.
Zum Autor
Janosch Reble
Janosch Reble ist Projektmanager Wissenstransfer und Kommunikation der Stiftung Innovation in der Hochschullehre.