Beitrag vom
11.05.2023
Jahresprogramm 2022
Mit Kopfstand zu mehr Awareness
Ein Beitrag von Dr. Sanne Ziethen
Vor allem Studierende aus der Gruppe der Teilnehmer:innen des Jahresprogramms hatten dafür plädiert, die Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Awareness“ auf die Agenda zu setzen. Es sollte also um Aspekte wie Teilhabe und Ausgrenzung an der Hochschule gehen. Eingeladen waren die drei Referent*innen Andra Krogmann, Behgol Pashm Foroush und Hanna Hoffmann-Richter von netzwerk n – einem Netzwerk Studierender, Promovierender und junger Berufstätiger an Hochschulen, die sich für einen gesamtinstitutionellen Wandel an Hochschulen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in den Bereichen Betrieb, Lehre, Forschung, Governance und Transfer einsetzen. In dem Workshop „How to Studierendenbeteiligung – Awareness und Best Practices“ wollten wir unser eigenes Verhalten reflektieren und in einen konstruktiven Dialog über die Herausforderungen und Potenziale diskriminierungssensibler Praktiken treten. Das sollte dazu dienen, den Möglichkeitsspielraum auszuloten, wie Lernräume zu einem partizipativen Umfeld gestaltet werden können, in dem jede:r etwas beitragen kann. Das wollten wir auf unser Themenfeld „Nachhaltigkeit im Kontext von Hochschullehre“ übertragen.
Beteiligung ermöglichen
Wir begannen mit etwas, das zunächst simpel anmutet: Jede und jeder von uns ergänzte den Namen auf der Zoom-Teilnehmendenliste um die Pronomen, mit denen eine Ansprache eindeutig möglich wird. Wir reflektierten unsere Gruppe und ihre Dynamiken: Was denken und fühlen wir über unser Miteinander? Was müsste passieren, damit die Gruppendynamik in unserem Jahresprogramm unangenehm wird? Als wir unsere Gespräche zusammentrugen, wurde deutlich: Wir haben alle ein paar Situationen im Kopf, die uns beschäftigen und über die wir reden können und wollen.
Die Referent:innen spitzten die Awareness-Definition auf den Hochschulkontext zu. Awareness bedeutet dann für sie vor allem die Ermöglichung von Beteiligung. Es gelte, so die Workshopleiter:innen, zunächst einmal ein Bewusstsein für Beteiligungsstrukturen an Hochschulen zu schaffen. Studierende bilden die größte Statusgruppe an Hochschulen, verschiedene Gründe erschwerten ihnen jedoch eine hochschulpolitische Aktivität. Dazu gehörten Lohn- und Care-Arbeit, die sie neben dem Studium leisten müssen. Hinzu komme strukturelle Benachteiligung und eine geringe Vertrautheit mit hochschulpolitischen Organisationsprozessen.
Nur eine privilegierte Gruppe Studierender könne hochschulpolitisch aktiv werden.
Deshalb könne nur eine privilegierte Gruppe Studierender hochschulpolitisch aktiv werden. Dabei seien aber auch sie auf die Kooperationsbereitschaft ihrer Hochschulen angewiesen. Durch zumeist strukturelle Bedingungen wie fehlende Beteiligungsmöglichkeiten, die lange Dauer von Prozessen und unklare Zuständigkeiten werde eine Mitarbeit zusätzlich erschwert oder sogar unmöglich. Awareness könnte entscheidend dazu beitragen, Partizipation zu ermöglichen und erschwerende Faktoren zu verändern.
Check der Privilegien
Mit einem Privilegiencheck und dem „Kopfstand“ als Workshopmethode verdeutlichten die Referent:innen ihren Input. Wir Teilnehmer:innen schlüpften in andere Rollen und reflektierten: Welche Partizipationsmöglichkeiten habe ich (vermutlich) in dieser Rolle? Wie verhält es sich in meiner eigenen Rolle an der Universität? Wo sind Diskrepanzen? Habe ich mehr oder weniger Einfluss- und Zugriffsmöglichkeiten?
Awareness kann dazu beitragen, Partizipation zu ermöglichen.
Geschickt gelang den Workshopleiter:innen der Übergang von dieser Übung zu Nachhaltigkeitsthemen. Deutlich wurde, wie wichtig es ist, andere Perspektiven einzunehmen und Empathie zu schulen. Damit kann Awareness konkret dazu beitragen, Partizipation zu ermöglichen und erschwerenden Faktoren zu begegnen. Vor allem Hochschulen als lernenden Institutionen obliegt es, partizipativ Ursachen heutiger und zukünftiger gesellschaftlicher und ökologischer Phänomene zu hinterfragen und zu akzeptieren und Werthaltungen zu benennen. Ich bin sicher, dass dieser Workshop uns Teilnehmende mit neuen Gedanken zurücklässt. Und ich bin gespannt, wie sich die Impulse auf unser Zusammenarbeiten auswirken werden.
Zur Autorin
Dr. Sanne Ziethen
Seit 2015 lehrt und forscht sie am Institut für Geschichte der Stiftung Universität Hildesheim zu Themen der Emotions- und Wirtschaftskrisengeschichte sowie zu Selbst- und Fremdbildforschung. In der Lehre entwickelte sie innovative Seminarformate und erhielt den Preis für hervorragende Lehre für das Studienjahr 2020/21. Seit 2021 ist sie Mitarbeiterin des Projekts Digital C@MPUS-le@rning. Dort ist sie zuständig für Transfer, didaktische Beratung, Veranstaltungen und Kommunikation. Außerdem ist die zuständig für die Qualifikation der le@rningLOTSEN – studentischen Lotsen, die als Multiplikator:innen für gute (digitale) Lehre tätig werden sollen.