Studierende organisieren Strategietagung
Ein Beitrag von Antonia Hildebrandt
„5 Jahre Leitbild Lehre – Lost in Transition“: Schon das Motto ließ erahnen, dass es 2023 eine etwas andere Tagung werden würde. „Viele Lehrthemen sind während der vergangenen Strategietagungen zwar diskutiert worden, aber – so wurde uns oft von Teilnehmenden berichtet – teilweise abstrakt und häufig ohne, dass sich danach spürbar etwas änderte“, sagt Levi Geiser. „Wir hatten nun die Möglichkeit, das anders zu machen und konkrete Lösungen für konkrete Probleme zu finden.“ Geiser studiert Informatik und Mathematik im Master und war Teil des Organisationsteams.
Seit zehn Jahren gibt es die Tagung an der TU Berlin, die auch als Anerkennung für engagierte Lehrende gedacht ist. Sie findet außerhalb der Universität in Brandeburg statt, die Teilnehmenden haben drei Tage Zeit, sich intensiv mit Themen zu befassen.
Das studentische Organisationsteam wollte einiges anders machen: So setzten sie das Feld der Teilnehmenden anders als früher zusammen. Zuvor waren fast nur Studiendekane, in der Lehre engagierte Dozierende und Mitarbeitende aus der Verwaltung dabei – und weniger als eine Handvoll Studierende. In diesem Jahr hingegen machten Studierende die Hälfte aus. Unter anderem, da pro Fakultät vier Leute eingeladen wurden: zwei Studierende und zwei Lehrende. Zudem gab es eine studentische Moderation.
„Wir als Präsidiumsabteilung sind von den Studierenden recht weit weg, dabei sind sie die Hauptzielgruppe von Lehrentwicklung“, sagt Wenke Seemann, die im Bereich Strategische Lehrentwicklung arbeitet und das Organisationsteam unterstützte. „Daher dachten wir, dass es sinnvoll und produktiv sein kann, wenn wir sie viel stärker und von Anfang an einbinden und ihnen Verantwortung übertragen.“
Leitbild für die Lehre
Das Leitbild für die Lehre bildet im Sinne einer „Lehrverfassung“ die Grundlage für alle Ordnungen, Regelwerke und Strategien, die die Lehre an der TU Berlin bestimmen.
Mehr Informationen gibt es auf der Seite der Technischen Universität Berlin.
Abschlussarbeiten-Börse entwickelt
Auf der Tagesordnung standen auch andere Themen als früher. Es ging zum Beispiel darum, wie mehr Interdisziplinarität in der Fakultät Verkehrs- und Maschinensysteme erreicht werden kann. Die Studierenden wünschen sich, dass Nachhaltigkeit und Ethik eine größere Rolle spielen. Gemeinsam mit Lehrenden entwickelten sie Vorschläge.
Ein weiteres Beispiel: Die Fakultät Elektrotechnik und Informatik hat ein großes Problem: Es gibt zu wenige Plätze für Abschlussarbeiten. Professor:innen in beliebten Fachbereichen geben nur eine begrenzte Anzahl von Themen heraus – die sind schnell vergeben. Wer leer ausgeht, muss sich nach anderen Möglichkeiten umschauen. „Das kann lange dauern und kompliziert werden. An dieser Stelle gibt es ein Auffindbarkeits- und Zuteilungsproblem“, erklärt Levi Geiser. „Denn es ist eine große Fakultät mit vielen Professor:innen, aber bei einigen kann es auch anders aussehen. Sie suchen vielleicht noch nach interessierten Studierenden. Bei der Tagung haben wir eine Lösung gefunden: eine digitale Abschlussarbeiten-Börse.“
Gesagt, getan: Inzwischen gibt es eine Website, auf der Lehrende ihre Abschlussarbeitsthemen einstellen können. Studierende sehen auf Anhieb, wo Plätze frei sind. Da auch andere Fakultäten dieses Problem haben, nutzen nun auch sie diese Website. „Das Abschlussarbeiten-Problem gab es schon vor der Tagung und es hatten sich vereinzelt Leute darüber Gedanken gemacht. Jetzt hat alles ineinandergegriffen und wurde konkret. Das war großartig“, berichtet Geiser. Überhaupt seien alle Themen mit großer Ernsthaftigkeit und Engagement besprochen worden, „die Stimmung war sehr gut.“
Studentischer ThinkTank Lehrentwicklung (ST2L)
Mehr Informationen gibt es auf der Projektseite.
Personalprobleme lösen
Dass die Tagung ein Erfolg werden würde, war nicht zu jedem Zeitpunkt abzusehen. Es sei zu Beginn gar nicht so einfach gewesen, Studierende zu finden, die sich für den Job interessieren, erzählt Wenke Seemann. Biochemie-Student Philipp Höhne ist ebenfalls Teil des Organisationsteams und sieht die Ursachen unter anderem in Nachwirkungen der Corona-Jahre. „Diese Zeit hat an dem Engagement vieler Studierenden gezerrt. Und das merken wir immer noch. Auch viele Fachschaftsinitiativen sind immer noch geschwächt und dünn besetzt.“ Er selbst ist in der Fachschaft aktiv und hatte sofort Lust, mitgestalten zu können. Er konnte etwas später auch Levi Geiser für den Job begeistern. Da sich das Team erst spät zusammengefunden hatte, war auch der Zeitplan eine Herausforderung: Sie hatten nur ein knappes halbes Jahr, um alles vorzubereiten.
Häufiger mehr studentische Beteiligung
Die etwas andere Tagung war ein Erfolg, da sind sich Höhne, Geiser und Seemann einig. Nun steht zur Debatte, ob nicht auch bei anderen großen Events, wie zum Beispiel dem „Tag der Lehre“ an der TU, Studierende die Federführung übernehmen können. Levi Geiser und Philipp Höhne hoffen jedenfalls, bei derartigen Planungen mit dabei zu sein.
UPDATE vom 22.02.2024
Der diesjähre Tag der Lehre wird erstmals studentisch organisiert. Damit wird an die Ziethener Klasurtagung für Studium und Lehre angeknüpft. Thematisch wird sich der Tag der Lehre am 27.05.2024 mit dem Themen KI und studentischen Akteur*innen beschäftigen.
Zur Autorin
Antonia Hildebrandt
Kommunikationsmanagerin
Antonia Hildebrandt ist Kommunikationsmanagerin der Stiftung Innovation in der Hochschullehre