Beitrag vom
12.04.2022
Corona als Thema in der Lehre
Plötzlich im Pandemie-Fokus
Ein Beitrag von Dr. Matthias Klein
Hygiene spielt im Alltag von Ärztinnen und Ärzten seit jeher eine wichtige Rolle. Ob bei großen Operationen oder kleinen Eingriffen: Die Sauberkeit ist immens wichtig. Wo Gefahren liegen, war allerdings oft wenig präsent. „Hygiene war ein sehr abstraktes Thema in der Lehre. Ich vermittle Wissen theoretisch, weil wir nicht klinisch tätig sind“, erzählt Johannes Knobloch. Der Professor für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene leitet die Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Seit Jahren unterrichtet er das Thema. Zwar bestand bei den Lehrveranstaltungen Anwesenheitspflicht für die Studierenden. „Viele haben das aber ohne allzu große Begeisterung mitgemacht. Sie müssen im Krankenhaus Hygienepläne erfüllen, also mussten sie das tun.“ Pandemien habe er immer thematisiert, sagt Knobloch. „Meistens ging es um Influenza, das war das Paradebeispiel. Gerade die historischen Bezüge erschienen vielen Studierenden allerdings weit weg.“ Johannes Knobloch hält einen Moment inne. Mitten in der Pandemie ist er via Video aus seinem Büro zugeschaltet. Dort sitzt er an seinem Schreibtisch, umgeben von Fachbüchern. Er trägt die typische weiße Krankenhauskleidung.
Eigenes Erleben verändert alles
Mit dem Beginn der Coronapandemie vor zwei Jahren änderte sich alles rasant. Die AHA-Regeln, die Maske und vieles mehr: Hygiene war nun plötzlich im Alltag aller Menschen ein Thema. Das richtige Desinfizieren der Hände war beispielsweise schon vorher ein Inhalt der Lehre. Nun sprach das ganze Land darüber. „Das war für mich sehr hilfreich“, berichtet Knobloch. „Die Studierenden waren sehr aufmerksam. Durch das eigene Erleben parallel zur Lehrveranstaltung stieg ihr Verständnis für die Bedeutung des Themas stark.“
Er habe das auch bewusst befördert: „In die meisten meiner Lehreinheiten habe ich pandemiespezifische Fragestellungen eingebaut. Gerade aktuelle Aspekte stießen auf sehr großes Interesse.“ Übertragungswege und Schutzmaßnahmen, zum Beispiel der Einsatz von Masken, seien wichtige Schwerpunkte geworden.
„Ich konnte den Studierenden genau zeigen, wann und unter welchen Bedingungen eine Infektion passieren kann.“
Im Krankenhaus ist die Gefahr, dass medizinisches Personal die Patient:innen mit etwas ansteckt, immer ein Thema. Bisher sei das häufig am Beispiel des MRSA-Keims gelehrt worden, der viele Krankenhausinfektionen verursacht. „Aber das blieb schwer vorstellbar. Irgendwann erkrankt jemand und dann weiß man: In den zwei Wochen vorher ist etwas schiefgelaufen“, erläutert Knobloch. „Es ist unmöglich zu identifizieren, was wann nicht funktioniert hat. Das ist nicht greifbar.“ Corona sei als Beispiel viel spannender. „Wir können Infektionsketten nachvollziehen. Ich konnte den Studierenden genau zeigen, wann und unter welchen Bedingungen eine Infektion passieren kann. Das hat sie sehr beeindruckt.“
Zur Person
Johannes Knobloch
Johannes Knobloch lehrt in Hamburg.
©Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Wissenschaftskompetenz gefragt
Medial ist Corona seit zwei Jahren der Dauerbrenner. In zahlreichen Medienbeiträgen trat Knobloch selbst auf, von der Tageszeitung bis zum TV. „Die Studierenden haben intensiv danach gefragt. Es war spannend für sie, was die Medien thematisieren. Ich habe gerne davon berichtet.“
„Die Studierenden kannten die Schlagworte bereits aus den Nachrichten. Früher musste ich erst lange in ein solches Thema einführen.“
Und noch ein Aspekt sei wichtig für die Lehre: „Jetzt in der langen Pandemiezeit kann man eindrucksvoll zeigen, was ‚die Wissenschaft‘ eigentlich macht“, sagt Knobloch. Schließlich seien in den Medienberichten und in der politischen Diskussion oft Schlagworte aus Papers zitiert worden. „Ich konnte diese in meinen Veranstaltungen sofort aufgreifen. Die Studierenden kannten die Schlagworte bereits aus den Nachrichten. Früher musste ich erst lange in ein solches Thema einführen.“
Er habe dann auf die Originalveröffentlichungen hingewiesen. „Manchmal hieß es: Diese oder jene Maßnahme hat einen Effekt auf die Infektionszahlen von x Prozent. Das ist ein Teil aus einem Abstract. Jedes gute Paper weist aber auch auf die Limitation der Erkenntnisse hin.“ In den Medien sei ihm das oft viel zu kurz gekommen. „Man muss immer den Material- und den Methodenanteil anschauen und kritisch hinterfragen, ob die eine Knaller-Aussage wirklich so absolut stimmt. Vielleicht gilt etwas nur für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder unter bestimmten Bedingungen.“ Das habe er besonders ausführlich mit den Studierenden diskutiert.
Dabei ging es um eine wesentliche Komponente des Studiums: „Ich konnte Wissenschaftskompetenz ganz anschaulich vermitteln. Diese Kompetenz wird immer wichtiger.“
Musizierende beraten
Die Pandemie prägt die Arbeit des Mikrobiologen. Er forscht selbst zum Thema. Und er berät in einem Projekt Musiker:innen des Elbphilharmonie Orchesters in Hygienefragen. Es geht darum, wie sie in der Pandemie gemeinsam auftreten können. Das Interesse der Studierenden an dieser konkreten Arbeit ist besonders groß. Zwei Doktorarbeiten schrieb Knobloch aus, wurde mit Bewerbungen überrannt, „aus ganz Deutschland meldeten sich Interessierte.“
Für die Lehre sei das Thema allerdings zu speziell. „Es ist zu weit entfernt von dem, was wir für die Versorgung von Erkrankten brauchen.“ Für ihn selbst sei es aber ein besonderer Gewinn: „Es hat mir große Freude gemacht, etwas außerhalb des Krankenhauses für die Bewältigung der Pandemie tun zu können.“
Anker für Hygienefragen
Was bleibt nun nach vier Semestern Corona-Lehre? Digitale Formate sind auch für Johannes Knobloch selbstverständlich geworden. „Ich finde vor allem Tools gut, mit denen Studierende während einer Vorlesung anonym Fragen stellen können. Manche fragen etwas, was sie sich sonst nicht trauen würden. Daraus sind sehr gute Diskussionen entstanden.“ Und auch Lehrvideos werden bleiben. „Vorher hatte ich damit keine Erfahrung. Sie machen die Lehre abwechslungsreicher.“
Und Corona selbst als Thema? „Bei den nächsten Jahrgängen wird man das eigene Erleben der Pandemie in der Lehre nutzen können. Das wird die Lernmotivation steigern“, sagt Knobloch. „Aber in vier, fünf Jahren wird auch Corona nur noch abstrakt im Gedächtnis sein. Wir werden sagen: ‚Erinnern Sie sich noch? Da gab es mal eine Pandemie.‘ Ich hoffe, dass es ein Interessenanker bleibt, um sich mit Hygienethemen zu beschäftigen.“