Stärke durch Netzwerke
Ein Beitrag von Antonia Hildebrandt
Frau Prof. Weimann-Sandig, Frau Prof. Zitzmann, was haben Sie von dem Programm erwartet und was haben Sie bekommen?
Zitzmann: Ich habe ein starkes Netzwerk von Frauen in Führungspositionen an unterschiedlichen Stellen in der Hochschule erwartet. Ich habe auch an eine Plattform gedacht, auf der man sich über strategische Bereiche austauscht, die wir an Hochschulen entwickeln können: Wie gehen andere mit Veränderungsprozessen um, welche Hebel sind wirklich wirksam?
Bekommen habe ich ein Netzwerk von klugen Frauen, das uns einen geteilten Vertrauensraum eröffnet. Das ist schon sehr wertvoll, aber es ist noch kein strategisches Netzwerk, in dem wir über Macht reden und uns gegenseitig in gezielt in Entscheidungspositionen bringen. Es wäre toll, wenn es sich noch in diese Richtung weiterentwickelt.
Weimann-Sandig: Dem kann ich mich anschließen. Wir haben beide Führungspositionen an der Hochschule und trotzdem, vielleicht auch gerade deshalb, müssen wir immer wieder „Machtkämpfe austragen“. In unserem Netzwerk habe ich viel mit Frauen zu tun, die auf anderen Positionen sind und mit Machtasymmetrien und Situationen konfrontiert werden, und die meinen Rat einfordern. Den kann ich auch geben, denn ihre Themen sind mir sehr vertraut. Ich nehme mit, dass ich so etwas wie eine Anleiterin sein kann für Frauen, die sich weiterentwickeln wollen. Und die bin ich sehr gerne. Trotzdem braucht es aus meiner Sicht solche Weiterbildungen, wo man theoretische oder auch interdisziplinäre Zugänge zum Thema Macht, Hierarchie und Rollen an Hochschulen bekommt. Denn die verschiedenen Zugänge schärfen den Blickwinkel oder verändern auch die Sicht auf Probleme. Zudem zeigen mir die Coachings im Rahmen der Weiterbildung, dass es die Probleme, die ich von meiner Hochschule kenne, auch an anderen Hochschulen gibt und dass sie manchmal strukturell bedingt sind.
Darüber hinaus habe ich im Modul zum Thema Kommunikation Dinge gelernt, die mich zum Umdenken bewogen haben. Ich gehe seitdem weniger konfrontativ in Gespräche und habe meine Kommunikationsstrategie zum Positiven verändert. Das ist für mich bisher einer der zentralen Gewinne der Weiterbildung.
Weiterbildung „Gestalterinnen der Lehre – Agendasetterin“
Mit dem Programm ermöglichen wir den Teilnehmerinnen die Schärfung der eigenen Karriereziele und die Erweiterung ihrer Kompetenzen in systemischer Hochschulentwicklung, (Selbst- und Team-)Führung sowie eine Vertiefung des Verständnisses bildungspolitischer Zusammenhänge mit dem Fokus auf Lehre. Vorbilder des Agenda-Setting durch Frauen aus Hochschule und Wirtschaft tragen zur Erweiterung des eigenen Netzwerks bei.
Können Sie konkrete Beispiele für diese Änderung Ihrer Kommunikationsstrategie nennen?
Weimann-Sandig: Wir haben viel über die sogenannte „Annahme des guten Grundes“ gesprochen. Wenn jemand, der mir gegenüber Macht darstellt, meine Ideen abblockt oder mich auflaufen lässt, muss ich darin keine persönliche Abneigung sehen. Ich kann einen Schritt zurück gehen und mich fragen, welchen guten Grund die Person haben könnte, sich so zu verhalten. Die Perspektive ist für mich eine grundsätzliche Erweiterung, weil ich gelernt habe, Menschen anders zu lesen. Das bedeutet nicht, dass ich nicht mehr für meine Ideen einstehe, sondern, dass ich anders strategisch agieren kann. Es hat mir zum Beispiel dabei geholfen, gegen Widerstände einen studentischen ThinkTank aufzubauen oder zu schauen, wie kommen wir im Hochschulentwicklungsprojekt voran. Und das Feedback der Kolleginnen und Kollegen ist sehr positiv.
Frau Zitzmann, wie hat sich das Weiterbildungsprogramm auf Ihren Alltag ausgewirkt?
Zitzmann: Ich bin in der glücklichen Lage, dass eine Kollegin von meiner Hochschule ebenfalls an dem Programm teilnimmt. Die gemeinsame Hin- und Rückfahrt zur Fortbildung nutzen wir gezielt als Denkraum. Einmal – auf dem Weg von Nürnberg nach Hamburg – haben wir ein Problem aus unserem Team besprochen. Meine Kollegin hat den Fall dann im Workshop eingebracht, und auf der Rückfahrt konnten wir bereits eine konkrete Lösung entwickeln. Es ist unglaublich hilfreich, bestimmte Themen im Tandem zu betrachten – da entsteht oft in kurzer Zeit überraschend viel Klarheit.

Zu den Personen
Prof. Dr. Christina Zitzmann
Christina Zitzmann ist Vizepräsidentin für Bildung an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und Professorin für Soziale Arbeit an der Fakultät für Sozialwissenschaften.

Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig
Nina Weimann-Sandig ist Professorin für Empirische Sozialforschung und Soziologie an der Evangelischen Hochschule Dresden und hochschuldidaktische Beauftragte.
Welche Highlights des Weiterbildungsprogramms gab es für Sie bisher?
Zitzmann: Für mich sind es die Gäste, die in die Weiterbildung kommen. Wenn eine Präsidentin einer Hochschule von ihrer strategischen Perspektive auf Hochschulentwicklung berichtet, ist das sehr spannend – so etwas liest man nicht in der Zeitung. Daraus habe ich viel gelernt. Zum Beispiel, dass Veränderungsprozesse immer sehr viel Zeit brauchen – wir reden hier teilweise von Dekaden. Und anhand eines Lebenslaufes zu sehen, wie sich das umsetzen lässt, habe ich als sehr wertvoll erlebt. Nach ihren Vorträgen bleiben die Frauen noch zum Abendessen. Wenn man dann ins Gespräch kommt, erhält man wirklich authentische Einblicke, sowohl in die Erfolge als auch in das Scheitern.
Weimann-Sandig: Positiv überrascht hat mich die Verbundenheit, die sich durch unseren Coaching Circle ergeben hat. Wir haben eine echte Vertrauenskultur etabliert, die es uns ermöglicht, uns auch über unser Scheitern auszutauschen. Das finde ich sehr wichtig, weil ich den Eindruck habe, dass in vielen Runden immer nur über Erfolge gesprochen wird.
Welche Möglichkeiten gibt es, Frauen im Wissenschaftssystem zu fördern?
Weimann-Sandig: Da gibt es vieles. Bei meinen direkten Mitarbeiter:innen in den Projekten ist es elementar, dass ich eine Mitarbeiterentwicklungsstrategie habe. Bei Frauen kommen ab einem bestimmten Zeitpunkt die Themen Kinderwunsch und Familiengründung mit rein, verbunden mit der großen Sorge „Kann ich wieder zurückkommen an meinen Arbeitsplatz?“ Da muss ich einfach andere Pläne machen und versichern, dass ich versuche, alles möglich zu machen. Ich finde es auch wichtig, Nachwuchswissenschaftler:innen den Zugang zu internationalen Konferenzen zu ermöglichen, sie ihre eigenen Vorträge halten zu lassen. Am Anfang bin ich da als Mentorin unterstützend mit dabei und dann schicke ich sie aber auch allein in die Welt.
Zitzmann: Als Teil der Hochschulleitung habe ich an bestimmten Stellen die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen – etwa indem ich Empfehlungen ausspreche, Netzwerke aktiviere und Sichtbarkeit ermögliche. Mir ist wichtig, direkte und ehrliche Rückmeldungen zu geben, die über ein ‚Das wird schon‘ hinausgehen. Und was ich nochmal betonen möchte: Karrierewege entstehen nicht allein durch Leistung. Der Gedanke, man müsse einfach nur gut sein und dann ergibt sich alles von selbst, greift zu kurz. Was ebenso zählt, sind strategische Kontakte, Gelegenheiten zur Profilbildung und Präsenz in relevanten Kontexten. Deshalb vernetze ich gezielt, stelle Kontakte her und ermutige dazu, Verantwortung zu übernehmen – zum Beispiel in Gremien, auf Tagungen oder durch Publikationen. So werden Menschen in entscheidungsrelevanten Netzwerken sichtbar.
Hinweis zur Einordnung
Das Interview wurde zur Halbzeit des Weiterbildungsprogramms geführt – zu einem Zeitpunkt, an dem erste Erfahrungen bereits reflektiert werden konnten, zentrale Programmpunkte jedoch noch bevorstanden.

Zur Autorin
Antonia Hildebrandt
Kommunikationsmanagerin
Antonia Hildebrandt ist Kommunikationsmanagerin der Stiftung Innovation in der Hochschullehre